Wie wäre es, wenn die Energie für Elektroautos morgen nicht mehr in Batterien, wie wir sie heute kennen, gespeichert würde, sondern in der Struktur des Fahrzeugs selbst, wie dem Boden oder der Karosserie? Gemeint ist damit die Technologie der Strukturbatterie, die auf sogenannten multifunktionalen Materialien beruht. Diese technologische Meisterleistung wird das Gewicht der Fahrzeuge senken und somit die Reichweite erhöhen.
Worum geht es dabei?
Das Konzept der strukturellen Batterie ist streng genommen nicht neu. Im Jahr 2007 unternahm das Forschungslabor der US-Armee den ersten Versuch, ein Strukturmaterial herzustellen, das Elektrizität speichern sollte. Das Material hatte zwar gute mechanische Eigenschaften, aber eine schlechte elektrische Isolierung.
Auch andere Wissenschaftler auf der ganzen Welt haben sich inzwischen an die Arbeit gemacht. Am weitesten fortgeschritten sind die Schweden von der Chalmers-Universität in Göteborg in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen vom KTH-Institut für Technologie in Stockholm. Sie stellten 2021 eine Batterie vor, bei der die Anode (positive Elektrode) aus Kohlenstofffasern und die Kathode (negative Elektrode) aus einer mit Lithium- und Eisenphosphat beschichteten Aluminiumfolie besteht. Ein Separator aus Glasfasern schafft die Voraussetzungen für den Ionenaustausch, während der Elektrolyt (leitende Substanz) aus Polymeren besteht. Das Funktionsprinzip entspricht also der bereits bekannten elektrochemischen Lithiumbatterie, mit dem Unterschied, dass andere Materialien verwendet werden.
Die Verformungsfestigkeit des Prototyps beträgt 25 GPa, was ausreicht, um mit anderen Materialien, die in strukturellen Baugruppen eingesetzt werden, zu konkurrieren und eine industrielle Anwendung in Betracht zu ziehen. Andererseits ist die Energiedichte mit 24 Wh/kg zwar zehnmal höher als bei früheren Versuchen, eine Strukturbatterie zu entwickeln, aber sie beträgt nur 20 % der Energiedichte von Lithium-Ionen-Zellen, die derzeit auf dem Markt sind.
Enormes Potenzial
Diese derzeit noch geringere Energiedichte stellt keine unüberwindbare Herausforderung dar, da strukturelle Batterien das Gewicht von Fahrzeugen erheblich verringern und somit die Reichweite erhöhen können. Einige Experten gehen davon aus, dass eine Halbierung der Gesamtmasse des Fahrzeugs bei gleicher Batteriekapazität eine Verdoppelung der Reichweite ermöglicht. Dies wäre ein grosser Fortschritt beim Bau von Elektrofahrzeugen, denn derzeit macht die Masse einer Lithium-Ionen-Batterie bis zu einem Drittel der Gesamtmasse des Fahrzeugs aus. Dies ist auch der Grund, warum der Elektroantrieb beispielsweise in einigen Bereichen wie der Luftfahrt nur eingeschränkt möglich ist.
Die Teams um Professor Asp an der Chalmers-Universität erhielten nun finanzielle Unterstützung von der schwedischen Weltraumbehörde, um ihre Strukturbatterie weiterzuentwickeln. Indem das Aluminium der Kathode durch Kohlefasern und der Elektrolyt durch eine dünnere Variante ersetzt werden, sollen die Steifigkeit des Ganzen sowie die Dichte und die Ladezyklen verbessert werden. Laut Professor Asp wird es möglich sein, eine Energiedichte von 75 Wh/kg und eine Steifigkeit von 75 GPa zu erreichen. Die Batterie wäre dann so stark wie ein Aluminiumblech, würde aber nur einen Bruchteil davon wiegen. Damit würde sich das Spektrum der Anwendungen erheblich erweitern, von Smartphones über Flugzeuge bis hin zu Fahrrädern und Autos.
Auch die Einsparung beim Platzbedarf wäre enorm, da die Batterie in Form sehr dünner Schichten aus Verbundmaterial hergestellt wird, die z. B. in die Karosserie eines Fahrzeugs integriert werden können. Da sie nur wenige Mikrometer dick ist, kann sie in jede Art von Struktur integriert werden, ohne dass es z. B. Einschränkungen beim Design gibt.
Die Strukturbatterie nach Tesla
Tesla ist wie immer einen Schritt voraus und rührt bereits die Werbetrommel für seine Strukturbatterien. Der technologische Fortschritt ist dabei nicht ganz so bedeutend wie beim schwedischen Projekt. Die neuen «4680»-Lithium-Ionen-Batterien (46 mm Zelldurchmesser und 80 mm Höhe statt der bisherigen «2170») des amerikanischen Herstellers erhalten ihre «strukturelle» Bedeutung durch eine intelligente Integration in das Fahrzeug. In der Praxis bildet das Batteriepaket wegen der grösseren Zellen direkt den Boden des Fahrzeugs, auf dem die Sitze und die Innenausstattung befestigt werden. Der Batterieboden wird mit einer 8000-Tonnen-Presse in einem Stück gefertigt, wodurch weniger Stahlteile im Inneren der Batterie benötigt werden und die Anzahl der Schweisspunkte um den Faktor 10 reduziert wird. Die Gewichtsersparnis beträgt etwa 25 kg im Vergleich zur alten Batteriegeneration.
All diese Verbesserungen senken die Herstellungskosten um ca. 5000 US-Dollar pro Batterie, was nicht unerheblich ist. Bisher ist jedoch nur das in Texas hergestellte Model Y damit ausgestattet. Die Modelle 3, S und X sollen in den nächsten Monaten folgen.
Wie sieht es in China aus?
Auch das Reich der Mitte, das in der Batterieherstellung sehr aktiv ist, ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus. Auch in China gibt es drei Hauptgenerationen von Batterien. Die erste, die den in unseren Breitengraden bekannten Zellen ähnelt, wird als «Cell-to-Module» (CTM) bezeichnet. Die einzelnen Zellen werden zu Modulen zusammengesetzt, die ihrerseits das Batteriepaket bilden, mit den bekannten Nachteilen bei der Anzahl der Bauteile, dem Gewicht und den Gesamtkosten.
Die zweite Generation wird als «Cell-to-Pack» (CTP) bezeichnet. Die Hersteller CATL und BYD sind die Pioniere dieses Konstruktionsprinzips, den sie 2019 bzw. 2020 vorgestellt haben. Konkret kommt dieser Batterietyp ohne Module aus und ermöglicht es daher, die Zellen direkt im Batteriepack selbst unterzubringen. Das Ergebnis ist eine Gewichtsersparnis sowie eine Optimierung der gravimetrischen und volumetrischen Energiedichte, d. h. weniger Platzbedarf und Gewicht für mehr Leistung.
Im Jahr 2022 lüfteten BYD und Leapmotor den Schleier über der dritten Generation von Batterien, die als «Cell-to-Body» (CTB) bzw. «Cell-to-Chassis» (CTC) bezeichnet wurden. Die Fortschritte bei den neuen Plattformen für Elektrofahrzeuge ermöglichen es nun, die Zellen direkt in die Fahrzeugstruktur zu integrieren, wie es Tesla bei seinem texanischen Model 3 getan hat. BYD hat auf dem Pariser Autosalon seine Limousine BYD Seal vorgestellt, die nächstes Jahr auf die europäischen Strassen kommen soll. Sie ist mit der genannten CTB-Batterie ausgestattet, die in die Plattform integriert ist.
Strukturbatterien werden zweifellos eine grosse Revolution für die Automobilindustrie und das Transportwesen allgemein darstellen, von der Strasse bis zur Luft- und Raumfahrt. Dabei besteht allerdings das nicht zu unterschätzende Risiko, dass die enormen Investitionen der Automobilhersteller für die Herstellung konventioneller Batterien massiv und nachhaltig beeinträchtigt werden oder sogar überflüssig werden.
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